Romana Del Negro

Annelise Zwez, ABENTEUER KUNST AM BAU, Institut für Virologie, Bieler Tagblatt, 2009

24. November 2008
  • Bieler Tagblatt
    Annelise Zwez, Kunstkritikerin

Abenteuer Kunst am Bau

Einen wichtigen Kunst am Bau Wettbewerb zu gewinnen, ist toll. Das Beispiel des Projektes von Romana Del Negro für die Universität Zürich zeigt jedoch, dass erst dann die Knochenarbeit beginnt.
«Der Künstlerin gelingt ein enger Bezug zu der im Labor ausgeübten Forschungstätigkeit im Spektrum Natur und Wissenschaft und sie setzt diese Verbindung konzeptuell wie formal vielschichtig um; die Jury spricht sich darum einstimmig für die Realisierung des Projektes von Roma-na Del Negro aus.» Das war vor elf Monaten. Seither steht das Leben der 40-jährigen, in Winterthur aufgewachsenen Bieler Künstlerin fast ganz im Zeichen der Umsetzung ihres ersten grossen Kunst am Bau- Auftrages für das Institut für Virologie der Universität Zürich Irchel. Eine bewegte Zeit mit Schrecksekunden und einem inzwischen voraussehbaren Happy End.
Schon 2006 war Romana Del Negro zum Zürcher Kunst am Bau- Wettbewerb für das Tierspital eingeladen gewesen; diesen gewann sie zwar nicht, aber für Tanja Scartazzini – Projektleiterin Kunst am Bau des Kantons Zürich – war klar: Bei passender Gelegenheit würde sie sich wie-der dafür einsetzen, dass die Künstlerin eingeladen wird. Die Kombination von organischen und künstlichen, gewachsenen und produzierten Materialien in komplexer, zeichnerisch wirkender Vernetzung faszinierte sie. Der Kanton Zürich stellt nicht nur bei Neu-, sondern auch bei Umbauten ein Prozent der Bausumme für Kunst am Bau frei. So wurde die Neukonzeption der Virologie an der Uni Irchel die Chance für Romana Del Negro.
Schon bei der Begehung, zu der neben ihr etwa auch Carmen Perrin, Bernhard Tagwerker, Andreas Horlitz geladen waren, zeigte sich, dass die gläserne Trennung von Labor und Korridor in den beiden Geschossen der Fokus der künstlerischen Intervention sein musste. Romana Del Negro entschied sich für die 24 Doppelscheiben von je 180 x 270 Zentimeter – das sind zwei mal 43 Meter Korridorlänge – ein mäandrierendes Band mit Wurzen, Ranken, Ästen, Fruchtständen teils natürlichen, teils plastifizierten Ursprungs, die mit Stecknadeln in Form gehalten sind.
Nicht dreidimensional und materiell fassbar wie in ihren Installationen (zuletzt im Frühjahr 2008 anlässlich des Aeschlimann-Cort-Stipendiums im Centre Pasqu`Art), sondern Ausschnitt-Fotografien davon, die in rhythmischem Verlauf auf die Gläser gedruckt werden sollten. Kombiniert mit frei flottierenden, verhalten farbigen und vielfach vergrösserten Zellformationen in Form von Sandstrahl-Zeichnungen auf der Kehrseite des Glases. So, dass sich die beiden Seiten gegenseitig hinterfragen, je nachdem ob man im Labor in Richtung Korridor schaut oder vom Korridor her in den hermetisch abgeschlossenen Labortrakt.
Entwerfen reicht jedoch für einen Kunst am Bau-Wettbewerb nicht – zum Projekt muss auch ein Konzept für die technische Umsetzung, ein präzises Budget im vorgegebenen Finanzrahmen, meist ein Prototyp und ein Modell vorliegen. Del Negro hatte das Glück, in dem auf Siebdruck und Sandstrahl-Anwendungen auf Glas und anderen Materialien spezialisierten Atelier Weidmann in Oberwil (BL) einen technischen Berater zu finden, der bereit war, mit Ihr die Grenzen des technisch und künstlerisch Möglichen auszuloten. Eine Fotografie kann ja nicht einfach auf Glas gedruckt werden, das Glas muss zuerst aufgeraut, dann ausgehend von der digitalen Vorlage mit der Fotografie beschichtet und schliesslich lackiert werden, um die Transparenz wieder herzustellen. Nur so können Haltbarkeit und Stabilität garantiert werden.
Die neuen Massstäbe, die Arbeit im und ausserhalb des Ateliers, die klare Haltung als Auftraggeberin waren für Romana Del Negro – wie für alle Kunstschaffenden in ähnlicher Situation – eine enorme Herausforderung. So hielt sie beinahe den Atem an, als man ihr in Köln, wo die Dreifach-Verglasung mit einem Hochsicherheitsglas in der Mitte in die Baurahmen eingepasst wurde, eröffnete, dass es zu viele Kratzer in der Vorlage habe, man die Verantwortung nicht übernehmen könne und sie einen Produktionsstopp anordnen musste. «Da war ich schon sehr froh, dass Marc Weidmann sowie ein Vertreter der Glasfirma respektive des Kantons Zürich nach Köln kamen, um mich zu unterstützen.» Inzwischen sind die Gläser an Ort und Stelle und eine Begehung gibt eine Ahnung von der Wirkung, welche die «Zeichnungen» an der Schnittstelle zwischen innen und aussen haben werden.
Die eigentliche Bau-Übergabe wird jedoch erst im Frühjahr respektive im Herbst 2009 über die Bühne gehen, da die geplante Forschungstätigkeit des Instituts auf-wändigste Elektro- und Elektronik - sowie Sicherheits-Einrichtungen voraussetzt.
Eine Zwischenbilanz zieht die Künstlerin bereits: «Die Professionalität, die ich auf allen Ebenen antraf, war grossartig».