Romana Del Negro

Elisabeth Grossmann, KUNST AM BAU AM BEISPIEL DES INSTITUTS FÜR VIROLOGIE, Einweihungsbroschüre, 2009

2009
  • Einweihungsbroschüre Institut für Virologie, Uni Irchel Zürich
    Elisabeth Grossmann, Fachexpertin Kunst am Bau

Kunst am Bau am Beispiel des Instituts für Virologie

Die Ansprüche an eine künstlerische Gestaltung verbinden in der Regel zwei Hauptkomponenten: Einerseits konzeptuelle Überlegungen zum gegebenen umbauten Raum und anderseits Gedanken zudessen Bestimmung beziehungsweise dessen Funktion. Mit schmückendem Beiwerk allein ist es nicht getan. Jeder Ort erfordert aufgrund seiner Lage und Nachbarschaft, seiner architektonischen Anlageund seiner Benützer eine Auseinandersetzung der vertieften Art. Ob es sich um einen öffentlichenoder halböffentlichen Raum handelt, um einen Aussen- oder Innenbereich, erweist sich die Aufgabe, einen künstlerischen Mehrwert zu gewinnen als gleichbleibend komplex. Ziel muss sein, darauf hinzuarbeiten, was eine ideale künstlerische Intervention in ihrem Innersten auszeichnet: Zeugnis abzulegen von Raum und Zeit und somit Teil und Ausdruck der kulturellen Identität zu werden.

Auch im vorliegenden Fall war die Aufgabe eine besondere: Zu gestalten war eine funktional ausgerichtete, normierte Raumabfolge auf zwei Geschossen, mit hohen Sicherheitsauflagen verbunden. Das Faszinie-rende für die Gestaltung lag eindeutig in der Nutzung (Virologie) und damit einem tatsächlich ‚virulenten’ Ausgangspunkt. Davon ausgehend richtete sich die Suche auf Vertreter, die sich im Werk fundiert mit Naturwissenschaft auseinandersetzen oder zumindest Affinität dazu bezeugen. Bezüglich des künstlerischen Ausdrucks waren drei Varianten vorstellbar: Eine sachliche, präzise Sprache in Analogie zur betriebenen exakten Forschungstätigkeit, eine gegenläufig expressive Handschrift als Aufladung der (antiseptischen) Atmosphäre oder deren mögliche Kombination. Das Glück war, im Projekt der Künstlerin Romana Del Negro der letztgenannten zu begegnen – sozusagen dem «Missing Link».

Ihr Ausgangspunkt war folgender Denkansatz: «Virologie: Eine Wissenschaft, sich mit Krankheitserregern befasst. Diagnose und Forschung: Eine fachspezifisch systematische, exakte und forschende Arbeit. Gegenüber dieser strukturierten Tätigkeit steht das zu untersuchende Material: wuchernde Viren – lebendig, vielfältig, fantasievoll, unberechenbar mutierend, beunruhigend gefährlich. Mit der Intervention zoome ich mikroskopisch nahe an imaginäre Viren und an eine fiktive Zellstruktur.» Ihre Gestaltung konzentriert sich auf die gläsernen Trennwände als Schnittstellen zwischen geschütztem Laborbereich und Korridor. Dem Laborbereich ist eine gleichbleibende Zell-, der Korridorseite eine wuchernde Virusstruktur zugeordnet, durch eine zwischen liegende Sicherheitsscheibe getrennt. Die Zellstruktur bildet einen durchlaufenden ornamentalen Grundakkord, der über beide Geschosse seine Fortsetzung findet, jedoch in der Farbigkeit variiert. Die Virusstruktur erscheint jeweils partiell, manifestiert sich als mutierende Gegenform, die den Wirt formal und farblich bedrohlich umrankt.

Das Projekt zeichnet sich durch mehrfache Querbezüge aus: Die Gestaltung thematisiert das Untersuchungsfeldder Virologie (Identität des Ortes) und rhythmisiert die Raumabfolge (Aufbrechen der Monotonie, Wechsel der Wahrnehmung). Die vegetabile Handschrift assoziiert die Wesenhaftigkeit der Natur und setzt diese als Grundelement unserer Existenz in den Mittelpunkt.

Künstlerische Qualität ist ohne Frage das A und O von Kunst am Bau. Aber sie manifestiert sich nicht im schönen Schein. Wie im exemplarischen Fall der Virologie beinhaltet die ideale künstlerische Intervention auch die Reflexion über Ort, Nutzung und Zeit.