Romana Del Negro

Christina Peege, VON HAFENLUFT UND BISE, Kunstkasten, Landbote, 2013

26. Februar 2013
  • Einzelausstellung
    Kunstkasten Winterthur

  • Landbote
    Christina Peege


Von Hafenluft und Bise

«Aria di cambiamento» – Wind der Veränderung heisst die neue Installation von Romana Del Negro im Kunstkasten. Der Wind ist die Hafenluft von Genua, wo die Künstlerin vergangenen Hebst mit einem Stipendium der Stadt Winterthur drei Monate in einem Atelier gearbeitet hat.

«Aria di cambiamento» – dieser klangvolle Titel der neuen Installation im Kunstkasten am Katharina Sulzer-Platz ist so etwas wie das Leitmotiv im Leben der Künstlerin Romana Del Negro (s. Kasten). «Ich brauchte eine Veränderung», erklärt sie während eines Gesprächs bei einem Tee im gastlich warmen Café «Portier» beim Katharina Sulzer-Platz. Im Atelier in Biel lebt und arbeitet sie in einem Raum, das sei schön, manchmal auch zu verwoben. Als Winterthurerin konnte sie sich bei der Stadt um ein Atelierstipendium bewerben. Das Atelier Genua hat sie ausgewählt, weil sie nicht nur zu neuen Horizonten, sondern auch zu ihren Wurzeln aufbrechen wollte. Ihr Grossvater war ein Immigrant aus Norditalien; bislang war in ihrer Familie die Herkunft kein Thema, ihre Italienischkenntnisse reichten aber um sich im Alltag zurecht zu finden und einen Espresso zu bestellen.

Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz, wo sie in Winterthur gleich in Schneegestöber und beissendem Wind den Kunstkasten bespielen konnte, «fühle ich mich, als wäre ich drei Monate durch eine farbige Waschmaschine geschleudert worden». Genua war ein belebendes Kontrastprogramm, «in der kurzen Zeit habe ich viel Lebendigkeit erfahren», erinnert sie sich. Dies sei nicht selbstverständlich, weil die Hafenstadt unter der aktuellen Wirtschaftskrise ganz besonders leide.

Lebendig und laut war auch das Stadtquartier, in dem das Atelier liegt. An der nahen ansteigenden Strassenbiegung machten sich die zahlreichen Rollerfahrer einen Spass draus, mal so richtig zu beschleunigen. «Gut geschlafen habe ich also nicht», räumt sie ein, aber sie hat sich auf die Situation eingestellt. Morgens hat sie jeweils am nahe gelegenen Meer oder in den durch ein kleines Bähnchen erschlossenen Berge hinter der Stadt ihre Gedanken schweifen lassen. Fasziniert dabei hat sie das mediterrane, intensive Licht des Herbstes. Die Impressionen wurden gebündelt, im Atelier folgten intensive Schaffenszeiten - konzentriert und in hohem Tempo. Für die Künstlerin, die sonst in langen Zyklen und im-mer wieder kritisch reflektierend ihre Werke schafft, eine neue Erfahrung, «ich habe dabei viel Energie gespürt», blickt sie zurück.

Doch hat sie nicht nur gezeichnet, sie hat auch zu einem wie sie es nennt: «bisweilen etwas vernachlässigten Zweig» ihrer Arbeit zurückgefunden, der Installation. «Ein schöner Impuls des Atelieraufenthaltes», erklärt sie. Im Musée jurassien des Arts von Moutier etwa hat sie 2006 die lang gestreckten Räume mit PVC, Wachspapier, Farbfolie, Karton und Stecknadeln bespielt (Installation „SOK“). Wachs- oder einfach «Fleisch»-papier spielt jetzt auch in der Installation im Kunstkasten eine tragende Rolle. «Ich lasse mich gerne auf eine räumliche Situation ein und reagiere dann darauf», sagt sie. Meist kommt sie mit einigen Grundelementen – wie im konkreten Fall das mit Pigmentfarbe bespritzte Wachspapier – und beginnt zu arbeiten. Angst, dass sie an einem bestimmten Punkt nicht weiter kommt, hat sie nicht. «Ich teste im Atelier Technik und Formationen und lasse mich dann vor Ort von einem Grundvertrauen leiten, dass ich die Arbeit voran bringen kann».

Nach der «farbigen Waschmaschine» von Genua, fühlt sie sich in Biel ein wenig «in Grau/Weiss wieder rausgespuckt». (...) Hat man als Betrachter im Kunstkasten zunächst Schäfchen- und Schönwetterwolken erkannt, sieht man plötzlich einen Sturm heraufziehen. (...) Manchmal ist die Aria di cambiamento kein Genueser Meereslüftchen, sondern eine klirrend kalte Bise. Dieser hat Del Negro am Katharina Sulzer-Platz überzeugend die Stirn geboten.
Nehmen sie sich Zeit, schauen sie sich die beiden Ausstellungen genau an – es lohnt.