Maria Vogel, VON DER INTENSITÄT DER ALLTÄGLICHEN MATERIALIEN, Galerie Hofmatt, Neue Luzerner Zeitung, 1997
- Einzelausstellung
Galerie Hofmatt, Sarnen - Neue Luzerner Zeitung
Maria Vogel
Von der Intensität der Alltäglichen Materialien
In Ihrer ersten Einzelausstellung zeigt Romana Del Negro Installationen und Objekte vorwiegend aus Draht, Gummi, Nylonfäden, Plastik, Schaumstoff, Acryl- und Stahlwatte. Ausserdem liegt eine Mappe mit Tuschzeichnungen auf, in denen sich wie in den Objekten Linien und kompakte Formen verbinden.
Romana Del Negro ist 1968 im Kanton Zürich geboren. Sie hat nach der Ausbildung zur Goldschmiedin an der Schule für Gestaltung in Luzern hospitiert und ist seither freischaffend. Eines ihrer Objekte aus Draht war in der letzten Jahresausstellung des Kunstmuseums Luzern zu sehen. Ein Grundsatz aller Arbeiten Del Negros ist der Kontrast. Er bezieht sich auf die Materialien und auf die Struktur sowie auf Licht und Schatten. Meist haben Bahnen, Verzweigungen oder feinste Verästelungen aus dünnem Draht oder aus Nylonfäden ihren Ausgangspunkt in Acrylwatte, Schaumstoff, Gummischläuchen oder engmaschigen Drahtgittern. Wie abwechslungsreich Del Negro ein Material einsetzt, ist an den Arbeiten mit Gummiringen zu erkennen. Die schlichten kleinen Ringe werden lang gezogen oder rundlich, zu Struktur bildenden Elementen. Verknotet, setzen sie Schwerpunkte zu filigranen Drahtlinien und einem Acrylwattestück. Zerschnitten und wieder geknüpft, verbinden sie gedrehte, dünne Eisenstangen miteinander. Je nach dem erscheinen sie ordnend oder wild und unberechenbar.
Etwas analoges geschieht mit zerzupfter Stahlwatte. Sie wirkt als kompaktes Gebilde geordnet und recht massiv. Wird sie aber in ihre Bestandteile zerzaust, so zeigen sich diese hauchfein wie Haare mit winzigen Stahlpartikeln. Del Negro birgt diese zarten Gebilde zusammen mit Nylonfäden in den regelmässigen, schmalen Vertiefungen eines Stücks Schaumstoff. Wie viel Kraft in der Vielfalt liegt, demonstriert Del Negro mit langen Fichtennadeln, die eng nebeneinander stehen, ein Stück Watte durchstechen, es über dem Boden fixieren und gleichzeitig von ihm gehalten werden.
Das Panoramazimmer der Hofmatt zeigt in Grisaille-Tönen Freskenbruchstücke der Sarner Landschaft. Romana Del Negro greift in ihrer Bodeninstallation das Grau der Wände auf. Sie hat aus Kassetten die Tonbänder entfernt und die leeren Hüllen zu einem Rechteck angeordnet. In jeder Hülle liegt ein Streifen Klebband mit haften gebliebenem Staub. Wenn ich recht gezählt habe sind es über 250 Kassetten, deren Grau von ganz hellen bis fast schwarzen Tönen ein mit den Wänden korrespondierendes „Bild“ ergibt, dessen geometrische Struktur aber ein spannender Kontrast zu den feinen Linien der gemalten Landschaft ist.
Die abgewickelten Tonbänder hat Del Negro im hintersten Kellerraum zu einem Haufen mit glitzernden Stellen drapiert, die je nach Lichteinfall wechseln, so dass sich alles zu bewegen scheint.
Der grosse Gewölbekeller riecht penetrant nach Waschküche. das hat seinen Grund in dem für die Installation verwendeten Waschmittel in Plastikbehältern. Diese liegen auf drei verschieden hohen Rechtecken aus feinem Drahtgeflecht. Unter und zwischen den Draht-„Betten“ ziehen sich von einer Wand zur andern mit Tonbändern gefüllte Drahtrollen durch. Die Plasikbehälter mit ihren grünlichen oder bräunlich eingefärbten Waschmittelspuren sind oben eingedrückt und werden so zu „Augen“. Sie machen die Installation in diesem Kellerumfeld zu einem gespenstisch wirkenden Körper.
Weil sich in den Objekten der oberen Räume ähnliche Materialien finden und vieles eine Art Wachstum und Keimen suggeriert, verbinden sich alle Arbeiten in ihren verschiedenen Facetten zu einem einzigen Organismus.