Romana Del Negro

Daniele Muscionico, BILDHÄUTE, Ausstellungsraum25, NZZ, 2003

26. Februar 2003
  • Einzelausstellung
    Ausstellungsraum 25 (Kenworthy-Ball), Zürich

  • NZZ
    Daniele Muscionico


Bildhäute

Die anderen „Körperwelten“ der Romana Del Negro im Ausstellungsraum25

Seit bald acht Jahren geistert die Ausstellung <Körper-welten>, das Totenreich des Gunther von Hagens, über den Globus und begeistert oder entgeistert Millionen. Die Zahlen sprechen Bände: von der Obsession des menschlichen Körpers zur Perversion des menschlichen Körpers ist es nur ein kleiner Schritt. Oder Schnitt.

Im Ausstellungsraum 25 zeigt nun Meta Kenworthy dazu eine stille, subtile, vor allem aber: künstlerisch überzeugende Gegenposition aus dem Mikrobereich. Sie heisst <Injawa Schodau>, ist eine Diaprojektion aus 108 fotografierten Lichtobjekten und stammt von der Zürcher Künstlerin Romana Del Negro, deren fragile Objekte (bevorzugt aus Draht, Gummi, Nylonfäden, Stahlwolle, Schaumstoff, Acryl) bereits im Kunstmuseum Luzern zu sehen waren.

Meta Kenworthy, die junge Schweizerkunst präsentiert, hat ein Sensorium für unkonventionelle Positionen: sie realisierte die erste Galerieausstellung von Zaccheo Zilio-li, die erste Einzelausstellung der Photographin Andrea Rist und beweist nun mit dieser ersten Einzelpräsentation von Del Negro Mut zum Unkommerziellen. Kenworthy ist dieses Mal das Bundesamt für Kultur beigesprungen; der Kulturfonds finanzierte die multimediale Arbeit mit einem Projektbeitrag.

<Injawa Schodau>, ein rätselhafter Titel, eine rätselhafte Arbeit: eine synästhetische Exploration von Licht, Ton, Materie, eine Reise in phantasierte, mikroskopische Körperwelten. Dafür fordert Del Negro eine Aufmerksamkeit ein, die den eiligen Galerie-Hopper irritieren wird.
In einem In-House-Kino, in den Galerieraum implantiert, zeigen vier Projektoren auf einer Leinwand stark verzerrte, abstrakte Standbilder, die durch Überblendungswellen und scharfe Wechsel in Bewegung gesetzt werden. Ein Pulsen von Licht, ein Leuchten von Klängen, angesiedelt in einer Zwischenzone der Quasiwissenschaft. Simulation mit Echtheitszertifikat.
Und immer wieder die Frage: Welche akustischen und farblichen Werte sind unserer physischen Energie zuzuordnen und unseren Körperfunktionen? Wie klingt es im Körperinnern? Eine minimalistische Komposition, klickende Geräusche, zerlegte Wortfetzen, zerstücktes Summen saugt den Betrachter tief und tiefer in die Bildhäute ein unter die Oberfläche der Leinwand in eine dritte Dimension, in der die Künstlerin als Histologin vegetabile Formen untersucht und Gewächse. Elektromikroskopisch erforscht sie den Feinbau und die Funktionen unseres Körpers bis in die feinsten Zellbestandteile.
Del Negro entlarvt so selbst die letzten Geheimnisse des Menschen als pure Simulation: das Atmen der Arterien, das Biegen der Bronchien, das Lächeln er Leukozyten, das Singen von Synapsen, das Orchester der Organe.